Wie läuft eigentlich ein Strafverfahren ab? Teil II: Das Zwischenverfahren

Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung zu dem Entschluss gekommen ist, dass die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der Anklage bieten, reicht sie die Anklageschrift beim zuständigen Gericht ein mit dem Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen, § 170 Abs. 1 StPO. Das angerufene Gericht prüft dann, ob es die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Dieses Stadium nennt man Zwischenverfahren.

Das Zwischenverfahren

Als Erstes stellt das Gericht dem Beschuldigten – der in dieser Phase des Prozesses „Angeschuldigter“ heißt – die Anklageschrift zu und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf die Anklageschrift. Diese Form des rechtlichen Gehörs verbinden die Gerichte häufig mit einer höchst missverständlichen Fristsetzung. In der Regel ist im Begleitschreiben des Gerichts zu lesen, der Angeschuldigte habe jetzt eine Woche Zeit, „Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung  des Hauptverfahrens zu beantragen“ oder „Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen“. Tun Sie es nicht!

Keine Fristen

Diese sehr kurze Frist versetzt viele Angeschuldigte in Panik. Sie denken, sie gingen ihrer Rechte verlustig, wenn sie jetzt nicht schnell – vorschnell – handelten. Das ist falsch. Insbesondere gibt es keine Frist, Beweisanträge zu stellen. Dies ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich. Leider lassen sich viele Gerichte trotzdem nicht davon abbringen, derartige Textbausteine zu verwenden. Ein erfahrener Strafverteidiger kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass dies auch aus Berechnung geschieht, um den Angeschuldigten doch noch zu einer unbedachten Aussage zu verleiten. Fallen Sie nicht darauf herein. Bewahren Sie die Ruhe. Sollten Sie bei Erhalt der Anklageschrift noch keinen Strafverteidiger beauftragt haben, sollten Sie dies jetzt allerdings spätestens tun. Denn nur ein Strafverteidiger kann beurteilen, was jetzt getan werden muss.

Wenn Sie auf die Zustellung der Anklageschrift gar nicht reagieren, wird das Gericht die Anklage in der Regel zulassen, sobald die gesetzte Frist verstrichen ist. Sie hören dann vom Gericht erst wieder, wenn Sie die Ladung zum Termin zur mündlichen Hauptverhandlung erhalten. Ob das Gericht sich in diesem Fall überhaupt mit den Vorwürfen aus der Anklageschrift inhaltlich auseinandersetzt, ist zweifelhaft. Häufig siegt hier wohl die Trägheit.

Einflussmöglichkeiten der Verteidigung

Im Zwischenverfahren sind die Möglichkeiten der Einflussnahme nicht mehr so groß wie im Ermittlungsverfahren, aber sie sind dennoch vorhanden. Es erfordert jedoch größeren Aufwand, da man von einer möglichen Einstellung im Zwischenverfahren zwei Seiten überzeugen müsste: das Gericht und die Staatsanwaltschaft. Da die Staatsanwaltschaft in diesem Stadium aber die Verfahrensakte gar nicht mehr hat, gestalten sich Verhandlungen sehr schwierig. Auch dies ist ein Grund, einen Strafverteidiger so schnell wie möglich zu beauftragen.

Aussichtsreich ist eine Erklärung im Zwischenverfahren dann, wenn es um streitige Rechtsfragen geht. Hier kann der Verteidiger seine Rechtsauffassung darlegen und zwingt damit das Gericht, sich mit diesen Fragen frühzeitig auseinander zu setzen.

Weniger sinnvoll ist es, im Zwischenverfahren Beweisanträge auf Zeugenvernehmung zu stellen. Kaum ein Gericht wird jemals im Zwischenverfahren tatsächlich Zeugen befragen, auch wenn es das nach dem Gesetz dürfte.

 

Wann brauche ich einen Strafverteidiger?

Gerichtssaal

Vor Gericht sind alle gleich. Eigentlich.

Immer wenn Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren sind, sollten Sie sich von einem Strafverteidiger verteidigen lassen. Immer. Selbst dann, wenn Sie die Ihnen vorgeworfene Straftat begangen haben und auch die gerechte Strafe nicht fürchten. Bedenken Sie: Auch als reuiger Sünder können Sie sich Ihre Strafe nicht selbst aussuchen. Über die Strafe entscheidet der Richter, und der irrt sich möglicherweise. Vielleicht übersehen Sie auch einfach mögliche Rechtfertigungsgründe oder Verteidigungsansätze. Es ist Ihre Zukunft, um die es geht. Damit sollten Sie nicht leichtfertig umgehen.

Verteidigung keinesfalls selbst führen

„Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen“ (§ 137 I 1 StPO). Und das sollte jeder Beschuldigte auch unbedingt tun. Dies ist Ihr von der Verfassung gewährleistetes Recht, auf das Sie nicht verzichten sollten. Keinesfalls sollten Sie versuchen, Ihre Verteidigung gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht selbst zu führen.

Schweigen

Die meisten Menschen fühlen sich unschuldig und erliegen dabei einem fatalen Irrtum: Sie denken, sie könnten andere von ihrer Unschuld überzeugen. Glauben Sie einem professionellen Strafverteidiger: Das klappt nicht. Jeder hat gute Gründe für das, was er getan hat und blumige Worte für das, was er nicht getan hat. Menschen lassen sich aber nur sehr ungern überzeugen und für Polizeibeamte gilt das in besonderem Maße. Im Gegenteil: Im Zweifel kann alles, was Sie sagen, gegen Sie verwendet werden, wie es im Krimi immer so schön heißt. Wenn die Polizei Sie einer Straftat verdächtigt, ist daher jedes Wort ein Wort zu viel. Überlassen Sie die Entscheidung, wann und welche Informationen Sie preisgeben, einem Profi.

Strafverteidiger einschalten

Wenn Sie also einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten haben oder von der Polizei vorgeladen wurden: Wenden Sie sich möglichst sofort an einen Strafverteidiger. Das gilt erst recht, wenn Sie eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft erhalten haben. Die Anklageschrift wird Ihnen stets vom zuständigen Gericht zugestellt. Liegt die Anklageschrift vor, ist ein wesentlicher Teil des Strafverfahrens – das Ermittlungsverfahren – bereits beendet.

Vorbeugende Beauftragung

Wenn Sie von der Polizei noch keine Nachricht erhalten haben, aber aus gutem Grund glauben, dass gegen Sie ein Strafverfahren geführt wird, lassen Sie sich unbedingt auch vorsorglich beraten. Gerade in diesen Fällen wird ein Strafverteidiger Ihnen wertvolle Hilfestellung geben können. Möglicherweise steht eine Durchsuchung oder schlimmstenfalls Ihre Verhaftung bevor. Durch die rechtzeitige Einschaltung eines Strafverteidigers können Sie drohende Maßnahmen möglicherweise noch abwenden oder zumindest abschwächen. Gerade wenn strafrechtliche Ermittlungen zu erheblichen Eingriffen in die persönliche Integrität – schlimmstenfalls durch Untersuchungshaft – führt, benötigen Sie möglichst frühzeitig rechtlichen Beistand, um für den schlimmsten Fall gewappnet zu sein.

Der Strafverteidiger ist in jedem Fall ausschließlich Ihren Interessen verpflichtet und strikt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das gilt ausnahmslos.