Die Rechtsbeschwerde

Gegen einen Bußgeldbescheid kann man Widerspruch einlegen. Kann der Betroffene aber auch vor dem dann zuständigen Amtsgericht (Strafsachen) keinen zufriedenstellenden Erfolg erzielen, wird die Rechtslage kompliziert. Das – wenn überhaupt – zulässige Rechtsmittel ist die Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht immer und unter denselben Voraussetzungen statthaft.

Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde

Im wesentlichen sind drei Fälle zu unterscheiden:

1. Das Gericht hat ein Bußgeld von höchsten EUR 100,00 verhängt.
2. Das Gericht hat ein Bußgeld zwischen EUR 100,00 und EUR 250,00 verhängt.
3. Das Gericht hat ein Bußgeld über EUR 250,00 oder ein Fahrverbot verhängt.

Der dritte Fall ist der einfachste: Steht ein Bußgeld von über EUR 250,00 oder ein Fahrverbot im Raum, ist die Rechtsbeschwerde immer statthaft. Zwar sind die Anforderungen an deren Begründung hoch; dies gilt allerdings für alle Fälle gleichermaßen. Zu den Begründungsanforderungen folgen weitere Ausführungen unten.

Liegt das angegriffene Bußgeld zwischen EUR 100,00 und EUR 250,00 ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, es kann aber deren Zulassung beantragt werden. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wiederum nur dann begründet, wenn die Entscheidung

– der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, zweite Alternative OWiG) oder
– zur Fortbildung des Rechts dient (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, erste Alternative OWiG) oder
– wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist ( § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Beides ist gleichermaßen selten der Fall. Nach der höchstrichterlichen „Definition“ soll eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts nur geboten sein, „wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen sind„. Der zweite Zulassungsgrund ist gegeben, wenn „sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder oder fortbestehen würden„. Damit der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde Erfolg hat, sollte mindestens eine dieser Voraussetzungen ausführlich dargestellt und belegt werden.

Liegt das verhängte Bußgeld unter EUR 100,00, kann die Rechtsbeschwerde nur bei Versagung rechtlichen Gehörs zugelassen werden, und auch dann nur unter weiteren Voraussetzungen, insbesondere dann, wenn die Entscheidung des Amtsgerichts „objektiver Willkür“ geprägt ist. Die Gehörsverletzung ist gleichzeitig Zulassungsgrund und Verfahrensfehler und muss daher ausführlich dargelegt und belegt werden.

Begründung der Rechtsbeschwerde

Soweit mit der Rechtsbeschwerde Verfahrensfehler gerügt werden, muss die Rechtsbeschwerde ausgeführt werden. Die Anforderungen hieran entsprechen denen an die Verfahrensrüge bei der Revision im Strafrecht (§ 344 Abs. 2 StPO). Kurz gesagt, muss das Beschwerdegericht allein durch die Beschwerdeschrift in die Lage versetzt werden, über das Vorliegen einer Rechtsverletzung entscheiden zu können; Bezugnahmen oder Verweisungen auf den Akteninhalt reichen hierzu nicht aus.

Damit ist die professionelle Erhebung einer Rechtsbeschwerde immer mit erheblichem Aufwand verbunden. Ob dieser Aufwand sich rentiert, muss der möglichst durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vertretene Betroffene letztlich selbst entscheiden.

Die Reform des Verkehrszentralregisters, Teil 2

20ceb7d5.mDies ist der zweite Teil meines Beitrags über das neue Fahreignungsregister. In diesem Teil  geht es vor allem um die Regelungen im Übergangszeitraum. Vorab noch einmal zur Erinnerung: Das neue Fahreignungsregister tritt zum 1. Mai 2014 in Kraft. Bis dahin läuft alles weiter wie gehabt. Was aber passiert dann mit den Punkten? Ist es sinnvoll, bis dahin noch irgendetwas zu tun?

Grundsatz:

Eintragungen werden per 1. Mai 2014 vom alten in das neue Punkteschema umgerechnet, und zwar

1 – 3 Punkte (alt):      1 Punkt (neu)

4 – 5 Punkte (alt):      2 Punkte (neu)

6 – 7 Punkte (alt):      3 Punkte (neu)

8 – 10 Punkte (alt):     4 Punkte (neu)

11 – 13 Punkte (alt):   5 Punkte (neu)

14 – 15 Punkte (alt):   6 Punkte (neu)

16 – 17 Punkte (alt):   7 Punkte (neu).

Ausnahme:

Es gibt ab dem 1. Mai 2014 keine Eintragung mehr für Verstöße, die keine unmittelbare Bedeutung für die Verkehrssicherheit haben. Zu diesen Verstößen zählt z. B. das Unberechtigte Befahren einer Umweltzone oder Verstöße gegen Kennzeichenregelungen. Alte Punkte, die auf solchen Verstößen beruhen, werden auch nicht umgerechnet, sondern entfallen ganz. Dies gilt auch bei Straftaten, die im Straßenverkehr begangen wurden, aber mit der Verkehrssicherheit nicht direkt in Zusammanhang stehen, z. B. Beleidigung, § 185 StGB.

Ist es sinnvoll, jetzt etwas zu tun?

Vor Aktionismus warne ich. Im Zweifelsfall tun Sie sich keinen Gefallen, wenn Sie z. B. jetzt noch schnell ein Aufbauseminar besuchen. Wir erinnern uns: Ab dem 1. Mai 2014 kann man innerhalb von fünf Jahren nur noch einmal insgesamt einen Punkt abbauen (siehe Teil 1 dieses Beitrages). Bis dahin können Sie bis zu vier Punkten abbauen.

Der ADAC empfiehlt auf seiner Homepage, man solle sich einen „umfangreichen Rabatt nach altem Recht durch rechtzeitige Teilnahme sichern„. Diesem Rat kann ich mich nur sehr bedingt anschließen. Bedenken Sie, dass die Umrechnung sich indirekt auch auf den Rabatt auswirkt. Haben Sie nach derzeitigem Recht mehr als 8 Punkte, können Sie sowieso nur noch 2 Punkte abbauen, was nach der Umrechnung einem Punkt entspricht. Das wird sich kaum jemals lohnen – außer wenn Sie darauf aus sein sollten, mit blütenweißer Weste in das neue Fahreignungsregister zu starten..

Nur wenn Sie derzeit zwischen 4 und 8 Punkten haben, könnte sich ein Aufbauseminar für Sie wirklich lohnen. Dadurch würden Sie nämlich 4 Punkte abbauen, was immerhin 2 Punkten nach neuer Rechnung entspricht und zu einer merklichen Reduzierung der Punktezahl führen würde. Bei weniger als 4 oder mehr als 8 Punkten hingegen können Sie den Ratschlag des ADAC getrost ignorieren und das Geld für das Aufbauseminar sparen.

Welches Verhalten ist sinnvoll bei Verstößen vor dem 1. Mai 2014?

Etwas verzwickter ist die Frage, welches Recht bei aktuellen Verstößen günstiger ist. In diesem Fall lohnt es sich unter Umständen, etwas genauer nachzurechnen. Ob ein Verstoß nach altem oder neuem Recht behandelt wird, hängt nämlich davon ab, wann er eingetragen wird. Das wiederum hängt in der Regel davon ab, wann der Verstoß rechtskräftig wird.

Die Anwaltauskunft des Deutsche Anwaltvereins (DAV) stellt dazu auf ihrer Homepage fest: Jemand, der bisher noch keine Punkte auf dem Konto hat, sollte sich um eine Eintragung möglichst vor der Gesetzesänderung bemühen, vorbelastete Autofahrer sollten sich hingegen um eine Eintragung nach neuem Recht bemühen. Dies lässt sich erreichen, indem man Einspruch einlegt und so die Rechtskraft bzw. die Eintragung über den 1. Mai 2014 hinausschiebt.

Eine kritische Einschätzung der neuen Regelungen folgt im dritten und letzten Teil dieses Beitrages.

 

 

Die Reform des Verkehrszentralregisters, Teil 1

Neues Bewertungssystem

Wichtig für alle Autofahrer: Am 1. Mai 2014 tritt das neue Bewertungssystem für Verkehrsteilnehmer in Kraft. Dies ist der erste Teil einer Reihe von Beiträgen, mit denen ich einen kurzen Überblick über die wichtigsten Änderungen geben möchte. Diesen Service biete ich erstmals in Kooperation mit www.bussgeldkatalog.org an. Weitere nützliche Infomationen finden Sie dort, wenn Sie dem link folgen.

Neue Bezeichnungen

Als erstes gilt es, sich an neue Bezeichnungen zu gewöhnen: Was bisher Verkehrszentralregister hieß, heißt ab dem 1. Mai 2014 Fahreignungsregister; was bisher kompliziert Mehrfachtäter-Punktsystem hieß, heißt dann genauso kompliziert Fahreignungs-Bewertungssystem. Praktische Bedeutung für die Verkehrsteilnehmer haben diese Änderungen nicht. Das war deshalb auch nur für die Leser zum Aufwärmen, jetzt geht es richtig zur Sache:

Punkte

Es gibt fortan weniger Punkte. Was wie eine Wohltat klingt, ist aber in Wirklichkeit nur eine neue Bewertungsskala: Konnte man im alten System für ein Verkehrsvergehen bis zu 7 Punkte bekommen, sind es jetzt nur noch bis zu 3. Damit korrespondiert nämlich die Höchstgrenze der zu erreichenden Punkte: Wurde die Fahrerlaubnis im alten System mit Erreichen von 18 Punkten entzogen, wird sie es jetzt mit Erreichen von nur 7 Punkten entzogen. Das ist etwa wie bei der Umstellung von der D-Mark auf den EURO: Das Geld wird (eigentlich) nicht weniger, es zählt nur anders.

Tilgungsfristen

Spannender sind die Änderungen bei den so genannten Tilgungsfristen: Früher wurde jeder Eintrag im Verkehrszentralregister nur dann aus dem Register getilgt, wenn innerhalb von zwei Jahren keine weiteren Einträge hinzugekommen waren. Neue Einträge hinderten die Tilgung bis zum Erreichen einer absoluten Tilgungsgrenze von 5 Jahren. Das ändert sich jetzt: Vom 1. Mai 2014 an läuft die Tilgungsfrist für jeden Eintrag unabhängig von sonstigen Einträgen. Die Dauer der Tilgungsfrist beträgt – je nach Schwere des Verstoßes – zwischen 2,5 und 10 Jahren.

Überliegefrist

Hier wird es wirklich kompliziert: Spezialisten kennen die so genannte Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG. War eine Eintragung tilgungsreif, blieb sie vor ihrer endgültigen Löschung gleichwohl ein weiteres Jahr im Register eingetragen.

Damit sollte verhindert werden, dass ein Eintrag gelöscht würde, obwohl der betreffende Verkehrsteilnehmer bereits vor der Tilgungsreife ein weiteres Vergehen begangen hatte, das die Tilgung gehemmt hätte, wenn die Behörde rechtzeitig davon erfahren hätte. Mit der Überliegefrist sollte also einer gewissen Trägheit innerhalb der Behörden begegnet werden. Dies war regelmäßig insbesondere für anwaltlich vertretene Betroffene ein Grund, die Rechtskraft neuer Entscheidungen zu verzögern: So sollte erreicht werden, dass in der Überliegefrist befindliche Eintragungen endgültig gelöscht würden, bevor es zu einer neuen Eintragung kam.

Mit Wegfall der Tilgungshemmung (s. o.) ist eigentlich auch die Überliegefrist hinfällig geworden. Der Gesetzgeber hat sie gleichwohl beibehalten. Ein Grund hierfür ist nicht ohne weiteres ersichtlich.

Punkteabbau

Bisher konnte man durch den gezielten Besuch von Aufbauseminaren innerhalb von 5 Jahren insgesamt 6 Punkte abbauen und einer drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis auf diesem Wege entgegenwirken. Diese Möglichkeit bleibt zwar erhalten, ihre Bedeutung wird aber geringer: Im neuen System kann innerhalb von 5 Jahren nur noch ein Punkt abgebaut werden, also unproportional weniger als bisher. Die dafür erforderlichen Schulungen werden dafür deutlich teurer als sie bisher waren, die Rede ist derzeit von Kosten von etwa 400 Euro.

Im zweiten Teil dieses Beitrags geht es in Kürze weiter mit Übergangsfragen und einer ersten Kritik am neuen System.

 

 

 

Messungen mit PoliScan Speed

Geschwindigkeitsmessungen sind für viele Autofahrer ein Ärgernis. Die Messungen mit dem Gerät PoliScan Speed der Firma Vitronic aber sind ein Ärgernis für sich. Wer  vielleicht mit einem solchen Gerät geblitzt wurde, sollte sich nach Möglichkeit von einem Rechtsanwalt beraten lassen, der auf Verkehrsrecht spezialisiert ist.

Das ärgerliche an besagtem Messgerät ist nämlich, dass keiner weiß, wie es funktioniert. Es ist eine „Black Box“. Selbst bei gültiger Eichung weiß man also immer nur, dass das Gerät irgendwie funktioniert, aber eben nicht auf welche Art und Weise. Vielleicht würfelt es. Man weiß es nicht.

Werden Messungen vor Gericht angefochten, ist das ein erhebliches Problem: Richter müssen nämlich eigentlich nachvollziehen können, worüber sie urteilen – und das können sie bei diesen Messungen nicht. Die meisten Amtsrichter haben dieses Problem bisher allerdings elegant ignoriert und wurden von den übergeordenten Oberlandesgerichten darin gestützt.

Anfang des Jahres hat erstmals ein Gericht trotz Messung  einen Fahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung freigesprochen. Das Gericht hatte einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Messwerte beauftragt. Dieser war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Überprüfung der konkreten Messwerte nicht möglich sei , da die erforderlichen Daten von der Herstellerfirma aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden.

Man könne das Mess-System daher nicht als „standardisiertes Messverfahren“ bezeichnen. Bei so genannten standardisierten Messverfahren darf das Gericht auf die ermittelten Messwerte vertrauen, ohne sie überprüfen zu müssen. Dies gilt in der Regel dann, wenn ein Sachverständiger das jeweilige Gerät bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) überprüft habe. Beim Poliscan Speed sei das aus den genannten Gründen jedoch nicht der Fall.

Mit seinem Urteil hat sich das Amtsgericht Aachen gegen mehrere Oberlandesgerichte gestellt, die Messergebnisse dieses Systems ungeprüft hatten durchgehen lassen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Streit weiter entwickelt. Einstweilen kann jedem Autofahrer, der mit dem Poliscan Speed geblitzt wurde, nur der Gang zum Rechtsanwalt empfohlen werden.

P.S.: Neuigkeiten zum PoliScan Speed gibt es in meinem blog, wenn sie hier klicken!

 

Fahrradfahrer auf dem Fußweg

Das Verhältnis zwischen Fahrradfahrern und anderen Teilnehmern am Straßenverkehr ist nicht immer ungetrübt. Fahrradfahrer müssen in Deutschland grundsätzlich die Fahrbahn benutzen; den Fußweg dürfen Fahrradfahrer nur nutzen, wenn dies ausdrücklich erlaubt bzw. vorgeschrieben ist. Aber selbst dann, wenn auf einem Fußweg das Fahrradfahren ausdrücklich erlaubt ist, haben Fahrradfahrer schlechte Karten.

In einem solchen Fall hat das Oberlandesgericht Frankfurt kürzlich entschieden, dass den Fahrradfahrer die volle Schuld trifft, wenn er auf dem Fuß- und Radweg mit einem Fußgänger kollidiert. Der Fahrradfahrer war dicht an einer Hauswand entlang gefahren, als eine Person aus dem Haus auf den Fußweg trat. Durch den Zusammenprall hatte sich die Handtasche der Fußgängerin im Lenker des Fahrrades verfangen, wodurch diese gestürzt war und sich schwer am Kopf verletzt hatte. Der Fußgängerin wurden über EUR 100.000,00 Schmerzensgeld sowie Schadenersatz zugesprochen.

Das Oberlandesgericht war der Auffassung, dass Radfahrer höhere Sorgfaltspflichten treffen als Fußgänger, sie also im Zweifel hinter Fußgängern zurückstehen müssten. Insbesondere wären Fußgänger nicht verpflichtet, sich regelmäßig nach Radfahrern umzuschauen. Fußgänger könnten darauf vertrauen, dass Radfahrer rechtzeitig durch Klingeln auf sich aufmerksam machten.

Für Fahrradfahrer heißt dieses Urteil, dass sie im Zweifel noch vorsichtiger fahren müssen als ohnehin schon. Sie werden sich darauf einzustellen haben.

Im Ergebnis kann das Urteil allerdings nicht vollständig überzeugen. Es ist kaum nachvollziehbar, warum Radfahrer eine höhere Sorgfaltspflicht als andere Verkehrsteilnehmer treffen sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie – wie im geschilderten Fall – gemeinsame Wege benutzen. Warum der Fußgänger hier nicht verpflichtet sein sollte, genauso auf den Verkehr zu achten wie der Radfahrer – das ist mit dem Gesetz nicht ohne weiteres zu erklären.

Für denjenigen, der in einen solchen Unfall verwickelt ist, lohnt es sich also allemal, sich gegen Forderungen zur Wehr zu setzen. Dies gilt umso mehr, als die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in diesen Fällen nicht eintritt und nicht alle Radfahrer eine private Haftpflichtversicherung haben dürften.