Kein Platz für Rassismus

 

Die Fraktion der AfD hat über einen medienbekannten Rechtsanwalt den Frankfurter Oberbürgermeister „abgemahnt“, konkret: ihm ein Schreiben zukommen lassen, mit dem sie Unterlassung (von ihm)  und  Schadenersatz (von der Stadt) verlangt. Der Sachverhalt wurde von der Frankfurter Rundschau hier aufbereitet.

Gegenstand der Auseinandersetzung ist ein Schild an der Haupteingangstür zum Frankfurter Römer. Das Schild trägt die Aufschrift „Respekt!“, in etwas kleinerer Schrift darunter den Schriftzug „Kein Platz für Rassismus“ sowie die Internet-Adresse www.respekt.tv. Das Schild ist kein Einzelfall, sondern Bestandteil einer seit Jahren laufenden Aktion, die von einer gemeinnützigen GmbH initiiert wurde; ein Kooperationspartner ist unter anderem die IG Metall.

Hiergegen wehrt sich die AfD mit der Begründung, der Oberbürgermeister verletze das Neutralitätsgebot. Näheres zum Neutralitätsgebot findet sich hier. Das mutet einigermaßen überraschend an, zumal das missliebige Schild keinerlei direkten Bezug zur AfD aufweist. Man mag nachvollziehen können, dass dieses Schild gerade der AfD nicht passt; allerdings lässt der beauftragte Rechtsanwalt gleichzeitig über Twitter verlautbaren, dass man gegen die oberen zwei Drittel des Schildes gar nichts einzuwenden habe. Die Angabe der Organisation, bzw. ihrer Internetpräsenz, ist es, die die AfD stört. Denn diese Gesellschaft sei „parteiisch“ (O-Ton). Auf deren Internetpräsenz finden sich auch einige Publikationen, die sich mit der AfD beschäftigen.

Aber kann dieser Umstand geeignet sein, Ansprüche gegen die Stadt oder gar deren Oberbürgermeister zu begründen? Das Neutralitätsgebot bezieht sich auf öffentliche Äußerungen von Amtsträgern und begrenzt deren Meinungsfreiheit, soweit „Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei… auf die politische Willensbildung des Volkes einwirken“ (BVerwG 10 C 6.16, oben verlinkt).

Ein solches Einwirken ist der Ausspruch „Kein Platz für Rassisten“ selbst nicht, denn dieser bewegt sich weit innerhalb des demokratischen Grundkonsenses. Das ist der Grund, warum die AfD sich nicht gegen den Ausspruch selbst wehren kann, denn damit würde sie sich nachweislich außerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung stellen.

Spätestens jetzt müsste man sich wundern, warum die AfD gleichwohl die Entfernung des gesamten Schildes und nicht etwa nur des Zusatzes www.respekt.tv verlangt. Völlig unklar ist auch, welcher (wirtschaftliche) Schaden der AfD durch dieses Schild entstanden sein soll, und darüber wollen wir hier auch nicht spekulieren.

Die spannende Frage ist nämlich: Handelt es sich bei dem Zusatz um eine dem Neutralitätsgebot unterliegende Äußerung? Ist das bloße Dulden eines Schildes mit der Angabe einer Internetadresse eine Äußerung, für die das Neutralitätsgebot gelten könnte? Bei allen mir bekannten Auffassungen des Wortes „Äußerung“ muss man diese Frage wohl deutlich mit „Nein“ beantworten, aber warten wir mal ab.

Selbst wenn man diese Angabe trotz allem als Äußerung auffassen wollte, warum sollte sie gerade dem Oberbürgermeister zuzurechnen sein? Da hat ja nicht einfach irgendwer irgendein Schild aufgehängt, sondern immerhin eine gemeinnütziger Gesellschaft im Rahmen einer bundesweiten Initiative. Noch abenteuerlicher wird es, wollte man dem Oberbürgermeister Inhalte der Internetpräsenz dieser Gesellschaft wie eine eigene Äußerung zurechnen, nur weil die Adresse auf einem Schild steht, das im Rathaus hängt.

Bis hierhin haben wir übrigens über die Inhalte dieser Internetpräsenz noch gar nicht gesprochen.

Freie Beweiswürdigung (I) – Das Urteil des LG Chemnitz

Ausgangslage

Am Donnerstag, dem 22.08.2019, hat das Landgericht Chemnitz einen 24-jährigen Syrer unter anderem wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren verurteilt. Das ist – auch für eine solche Tat – vergleichsweise sehr viel. Es gab eine umfangreiche, qualitativ sehr unterschiedliche Presseberichterstattung; alles, was der Autor diese Beitrags weiß, weiß er nur aus der Presse: Aber das rechtliche Hauptproblem wird in der Berichterstattung durchgehend deutlich.

Nicht das Problem

Mancherorts wird gemutmaßt, das Gericht hätte sich bei seinem Urteil zumindest auch vom Volkszorn leiten lassen. Kurz nach der Tat war es bekanntlich zu teilweise gewaltsamen Protesten in Chemnitz gekommen, an die sich eine politische Diskussionen um die Bedeutung des Wortes „Hetzjagd“ anschlossen. Die zuständigen Richter haben natürlich weit von sich gewiesen, dass sie sich von irgendwelchen äußeren Begleitumständen hätten beeinflussen lassen. Das ist wenig überzeugend; dazu berichtet ganz instruktiv der Spiegel. Die Diskussion ist allerdings müßig, denn eine Beeinflussung geschieht in aller Regel unbewusst und wird sich weder belegen noch ausschließen lassen. Ob es klug von den Richtern war, sich so zu äußern, steht auf einem anderen Blatt. Es hilft aber auch niemandem, dem Gericht Voreingenommenheit oder gar Rassismus vorzuwerfen. Das eigentlich dahinter stehende Problem ist ein anderes. Ansatzweise herausgearbeitet hat es die Zeit, in einem Interview mit dem Strafrechtsprofessor Matthias Jahn. 

Das Problem

Das eigentliche Problem ist, dass man nach der Berichterstattung gewisse Zweifel daran haben muss, dass das Urteil rechtskonform zustande gekommen ist. Diese Bedenken lassen sich dabei auch durchaus nur mit den der Presse entnommenen Kenntnissen begründen. Denn wie man lesen kann, beruht das Urteil allein auf der Aussage eines einzigen Belastungszeugen; andere Beweismittel gibt es nicht. Keine. Das mutet angesichts der Schwere des Tatvorwurfs befremdlich an; schon beim alten Goethe wird die mittelalterliche Beweisregel zitiert, dass es zur Wahrheitsfindung stets mindestens zweier Zeugen Aussage bedarf (Faust I, Vers 3013 f). Aber Beweisregeln gibt es heutzutage im Strafrecht nicht mehr, dazu einiges später.

Nun war der Zeuge aber nicht nur das einzige Beweismittel, sondern außerdem auch noch unzuverlässiger als Zeugen es ohnehin schon sind. Denn er hat den Täter nur ein einziges Mal gesehen, im Dunkeln, aus 50 Metern Entfernung. Da ist ein verlässliches Wiedererkennen schon nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kaum vorstellbar. Trotzdem will er im Angeklagten den Täter wiedererkannt haben. Vor Gericht hat er das sogar noch relativiert, aber dem Gericht hat das gleichwohl gereicht, um den Angeklagten zu verurteilen. Wer nicht aus politischen Gründen bereits eine vorgefasste Meinung hat, muss sich fragen: Wie kann das für eine Verurteilung reichen?

Die freie Beweiswürdigung

Das Gericht ist in seiner Beweiswürdigung frei, oder wie § 261 StPO formuliert: Das Gericht entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme „nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung„. Es gibt keine Beweisregeln mehr; mit denen meinte man zu früheren Zeiten schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Früher galt z.  B. die Beweisregel, dass bei einem Geständnis die Schuld des Angeklagten unwiderleglich feststünde. In der Praxis führte das zu mannigfaltigen Formen der Folter, die man nutzte, um endlich an Beweismittel zu gelangen. Auch deshalb hat man Beweisregeln mit der Einführung des reformierten Inquisitionsprozesses abgeschafft. Leider wird das von einigen Gericht dahin missverstanden, dass es überhaupt keine Regeln mehr gäbe, an die Richter sich zu halten hätten. Aber das ist nicht richtig. Es gibt zwar keine Beweisregeln mehr, wohl aber gesetzliche Regeln, zu denen nach der Rechtsprechung des BGH auch Naturgesetze, Denkgesetze und – man höre und staune – „gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse“ gehören.

Das bedeutet, eine vom Instanzgericht aus der Beweisaufnahme gebildete Überzeugung ist dann rechtsfehlerhaft, wenn sie diesen Regeln widerspricht oder unter Missachtung solcher Regeln zustande gekommen ist. Wenn das Gericht also feststellt, dass der Täter auf einem Mammut zum Tatort geritten ist, dann ist diese Feststellung fehlerhaft, denn jeder weiß, dass Mammuts ausgestorben sind. Ob das also ein Zeuge ausgesagt hat, ist im Ergebnis völlig egal.

Die Feststellung kann aber auch fehlerhaft zustande gekommen sein, z. B. indem das Gericht die Aussage eines Zeugen zu Grunde legt, deren Glaubhaftigkeit belegbar in Zweifel steht. Dieser Fehler passiert bei Gericht erstaunlich häufig, leider ohne dass dies von den Revisionsgerichten in angemessenem Maße sanktioniert würde. Dazu gehört beispielsweise die Aussage eines Polizeizeugen, er habe auf einer Brücke gestanden und die Geschwindigkeit eines fahrenden Autos ohne technische Hilfsmittel mit „100 km/h“ bemessen. Das kann nicht sein, denn Menschen haben keinen Geschwindigkeitssinn. Erstaunlicherweise gibt es immer wieder Menschen, die sich einen solchen Sinn einbilden, wissenschaftlich erwiesen ist das Gegenteil. Ein Gericht, das seine Überzeugungsbildung auf so eine Aussage stützt, macht einen Rechtsfehler.

Nicht hierher gehört übrigens der Grundsatz „in dubio pro reo„, denn der gilt nur als verletzt, wenn das erkennende Gericht bestehende Zweifel ersichtlich nicht überwunden hat. Dazu müsste ein Gericht seine eigenen Zweifel in den schriftlichen Urteilsgründen zunächst offen eingestehen, ohne sie anschließend auszuräumen. Das kommt praktisch nie vor.

Schlussbemerkung

Das Prinzip der Überzeugungsbildung ist ein wissenschaftliches, nämlich der so genannte „methodische Zweifel„; insbesondere muss das Gericht in seinen schriftlichen Urteilsgründen nachvollziehbar darlegen, wie es nahe liegende Zweifel überwunden hat.

Bei dem im Ausgangsfall geschilderten Zeugen dürfte das spannend werden: Meiner Auffassung nach ist es praktisch unmöglich. Die Zeugenaussage dürfte so gut wie wertlos sein, weil wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass unter den geschilderten Umständen weder eine sichere Wahrnehmung noch eine sichere Wiedererkennung wahrscheinlich ist. Übrigens hat das Gericht den Angeklagten auch noch einer zweiten Tat für schuldig befunden – einer gefährlichen Körperverletzung – für die es dem Vernehmen nach überhaupt keinen Beweis gibt. Diese Tat hat nämlich nicht einmal der zweifelhafte Belastungszeuge gesehen.

 

Die Rechtsbeschwerde

Gegen einen Bußgeldbescheid kann man Widerspruch einlegen. Kann der Betroffene aber auch vor dem dann zuständigen Amtsgericht (Strafsachen) keinen zufriedenstellenden Erfolg erzielen, wird die Rechtslage kompliziert. Das – wenn überhaupt – zulässige Rechtsmittel ist die Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht immer und unter denselben Voraussetzungen statthaft.

Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde

Im wesentlichen sind drei Fälle zu unterscheiden:

1. Das Gericht hat ein Bußgeld von höchsten EUR 100,00 verhängt.
2. Das Gericht hat ein Bußgeld zwischen EUR 100,00 und EUR 250,00 verhängt.
3. Das Gericht hat ein Bußgeld über EUR 250,00 oder ein Fahrverbot verhängt.

Der dritte Fall ist der einfachste: Steht ein Bußgeld von über EUR 250,00 oder ein Fahrverbot im Raum, ist die Rechtsbeschwerde immer statthaft. Zwar sind die Anforderungen an deren Begründung hoch; dies gilt allerdings für alle Fälle gleichermaßen. Zu den Begründungsanforderungen folgen weitere Ausführungen unten.

Liegt das angegriffene Bußgeld zwischen EUR 100,00 und EUR 250,00 ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, es kann aber deren Zulassung beantragt werden. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wiederum nur dann begründet, wenn die Entscheidung

– der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, zweite Alternative OWiG) oder
– zur Fortbildung des Rechts dient (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, erste Alternative OWiG) oder
– wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben ist ( § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

Beides ist gleichermaßen selten der Fall. Nach der höchstrichterlichen „Definition“ soll eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts nur geboten sein, „wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen sind„. Der zweite Zulassungsgrund ist gegeben, wenn „sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder oder fortbestehen würden„. Damit der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde Erfolg hat, sollte mindestens eine dieser Voraussetzungen ausführlich dargestellt und belegt werden.

Liegt das verhängte Bußgeld unter EUR 100,00, kann die Rechtsbeschwerde nur bei Versagung rechtlichen Gehörs zugelassen werden, und auch dann nur unter weiteren Voraussetzungen, insbesondere dann, wenn die Entscheidung des Amtsgerichts „objektiver Willkür“ geprägt ist. Die Gehörsverletzung ist gleichzeitig Zulassungsgrund und Verfahrensfehler und muss daher ausführlich dargelegt und belegt werden.

Begründung der Rechtsbeschwerde

Soweit mit der Rechtsbeschwerde Verfahrensfehler gerügt werden, muss die Rechtsbeschwerde ausgeführt werden. Die Anforderungen hieran entsprechen denen an die Verfahrensrüge bei der Revision im Strafrecht (§ 344 Abs. 2 StPO). Kurz gesagt, muss das Beschwerdegericht allein durch die Beschwerdeschrift in die Lage versetzt werden, über das Vorliegen einer Rechtsverletzung entscheiden zu können; Bezugnahmen oder Verweisungen auf den Akteninhalt reichen hierzu nicht aus.

Damit ist die professionelle Erhebung einer Rechtsbeschwerde immer mit erheblichem Aufwand verbunden. Ob dieser Aufwand sich rentiert, muss der möglichst durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vertretene Betroffene letztlich selbst entscheiden.

Wie läuft eigentlich ein Strafverfahren ab? Teil II: Das Zwischenverfahren

Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrer Abschlussverfügung zu dem Entschluss gekommen ist, dass die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der Anklage bieten, reicht sie die Anklageschrift beim zuständigen Gericht ein mit dem Antrag, das Hauptverfahren zu eröffnen, § 170 Abs. 1 StPO. Das angerufene Gericht prüft dann, ob es die Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Dieses Stadium nennt man Zwischenverfahren.

Das Zwischenverfahren

Als Erstes stellt das Gericht dem Beschuldigten – der in dieser Phase des Prozesses „Angeschuldigter“ heißt – die Anklageschrift zu und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf die Anklageschrift. Diese Form des rechtlichen Gehörs verbinden die Gerichte häufig mit einer höchst missverständlichen Fristsetzung. In der Regel ist im Begleitschreiben des Gerichts zu lesen, der Angeschuldigte habe jetzt eine Woche Zeit, „Beweiserhebungen vor der Entscheidung über die Eröffnung  des Hauptverfahrens zu beantragen“ oder „Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen“. Tun Sie es nicht!

Keine Fristen

Diese sehr kurze Frist versetzt viele Angeschuldigte in Panik. Sie denken, sie gingen ihrer Rechte verlustig, wenn sie jetzt nicht schnell – vorschnell – handelten. Das ist falsch. Insbesondere gibt es keine Frist, Beweisanträge zu stellen. Dies ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich. Leider lassen sich viele Gerichte trotzdem nicht davon abbringen, derartige Textbausteine zu verwenden. Ein erfahrener Strafverteidiger kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass dies auch aus Berechnung geschieht, um den Angeschuldigten doch noch zu einer unbedachten Aussage zu verleiten. Fallen Sie nicht darauf herein. Bewahren Sie die Ruhe. Sollten Sie bei Erhalt der Anklageschrift noch keinen Strafverteidiger beauftragt haben, sollten Sie dies jetzt allerdings spätestens tun. Denn nur ein Strafverteidiger kann beurteilen, was jetzt getan werden muss.

Wenn Sie auf die Zustellung der Anklageschrift gar nicht reagieren, wird das Gericht die Anklage in der Regel zulassen, sobald die gesetzte Frist verstrichen ist. Sie hören dann vom Gericht erst wieder, wenn Sie die Ladung zum Termin zur mündlichen Hauptverhandlung erhalten. Ob das Gericht sich in diesem Fall überhaupt mit den Vorwürfen aus der Anklageschrift inhaltlich auseinandersetzt, ist zweifelhaft. Häufig siegt hier wohl die Trägheit.

Einflussmöglichkeiten der Verteidigung

Im Zwischenverfahren sind die Möglichkeiten der Einflussnahme nicht mehr so groß wie im Ermittlungsverfahren, aber sie sind dennoch vorhanden. Es erfordert jedoch größeren Aufwand, da man von einer möglichen Einstellung im Zwischenverfahren zwei Seiten überzeugen müsste: das Gericht und die Staatsanwaltschaft. Da die Staatsanwaltschaft in diesem Stadium aber die Verfahrensakte gar nicht mehr hat, gestalten sich Verhandlungen sehr schwierig. Auch dies ist ein Grund, einen Strafverteidiger so schnell wie möglich zu beauftragen.

Aussichtsreich ist eine Erklärung im Zwischenverfahren dann, wenn es um streitige Rechtsfragen geht. Hier kann der Verteidiger seine Rechtsauffassung darlegen und zwingt damit das Gericht, sich mit diesen Fragen frühzeitig auseinander zu setzen.

Weniger sinnvoll ist es, im Zwischenverfahren Beweisanträge auf Zeugenvernehmung zu stellen. Kaum ein Gericht wird jemals im Zwischenverfahren tatsächlich Zeugen befragen, auch wenn es das nach dem Gesetz dürfte.

 

Wie läuft ein Strafverfahren ab? Teil I: Das Ermittlungsverfahren

 

Jedes Strafverfahren beginnt mit einem Verdacht, dem so genannten Anfangsverdacht. Der kann überall herrühren; meist gibt es entweder eine Strafanzeige oder die Polizei hat jemanden „auf frischer Tat“ ertappt. Wenn ein solcher Anfangsverdacht besteht, eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren.

Das Ermittlungsverfahren

Das Ermittlungsverfahren ist der erste Verfahrensabschnitt des Strafverfahrens. Die Ermittlungen führt die Staatsanwaltschaft in den allermeisten Fällen nicht selbst, sondern betraut damit die Polizei. Früher sprach man mal von „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“. Den Begriff hat man mittlerweile ersetzt, in der Sache ist aber alles gleich geblieben. Wenn die Polizei mit ihren Ermittlungen fertig ist, übermittelt sie ihre Erkenntnisse in Papierform an die zuständige Staatsanwaltschaft.

Wir merken uns: Sämtliche verfahrensrelevanten Entscheidungen liegen im Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft, nicht etwa bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft ist „Herrin des Verfahrens“. Die Polizei hat im Strafverfahren grundsätzlich überhaupt nichts zu entscheiden. Wenn sie doch einmal etwas entscheiden muss, z. B. weil Eile geboten ist (die berühmte „Gefahr im Verzug“), dann muss sie sich das hinterher genehmigen lassen. Das ist ein Grund, warum man mit der Polizei niemals sprechen sollte; es nutzt nämlich nichts. Aber das ist ein anderes Thema. Die Macht der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren ist aber nicht unbegrenzt. Sind bei den Ermittlungen Grundrechte der Beschuldigten betroffen, muss über jeden Eingriff ein Gericht entscheiden, aber diese Ausnahme soll uns hier nicht interessieren. Wir merken sie uns aber.

Rechtliches Gehör

Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, dem Beschuldigten im Ermittlungsverfahren die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ihm “rechtliches Gehör“ zu gewähren. Sie tut dies, wenn die Ermittlungen dadurch nicht mehr gefährdet werden, wenn also nicht mehr zu befürchten ist, dass der Beschuldigte Beweismittel beiseiteschafft oder verfälscht. Der Beschuldigte bekommt dann per Post entweder einen Anhörungsbogen oder eine Vorladung zur „Verantwortlichen Vernehmung“. Wenn Sie eine solche Anhörung oder Vorladung bekommen haben, sollten Sie unbedingt einen Strafverteidiger beauftragen. Keinesfalls sollten Sie sich ohne vorherige Beratung zu den Vorwürfen äußern.

Abschluss der Ermittlungen

Meint die Staatsanwaltschaft, dass alle wesentlichen Umstände „ausermittelt“ seien,  trifft sie eine Entscheidung in der so genannten Abschlussverfügung. Diese Entscheidung kann ein guter Strafverteidiger mitunter maßgeblich beeinflussen. Der Betroffene selbst wird das kaum jemals schaffen, schon weil er in der Regel gar nicht herausfinden wird, wer für seine Angelegenheit zuständig ist. Deshalb sollte man so früh wie möglich einen Verteidiger beauftragen.

Einflussmöglichkeiten der Verteidigung

Im Vorverfahren sind die Ermittlungen noch einigermaßen „offen“; mit der Staatsanwaltschaft  können noch relativ freimütig Rechtspositionen ausgetauscht und Möglichkeiten der vorzeitigen Verfahrensbeendigung erörtert werden. In diesem Stadium kann eine engagierte Verteidigung das Strafverfahren durch gezielte Intervention zur Einstellung bringen oder dem Verfahren zumindest eine andere Richtung geben. Vor Gericht ist dies aufgrund der formalen Ausgestaltung der mündlichen Verhandlung erheblich schwieriger.

Mit der Abschlussverfügung entscheidet sich die Staatsanwaltschaft, ob sie Anklage gegen den Beschuldigten erhebt. Erhebt sie Anklage zum zuständigen Gericht, verliert sie ihre Rolle als „Herrin des Verfahrens“.

Das Verfahren liegt von dann an in den Händen des Gerichts.

Wie finde ich einen guten Strafverteidiger?

Zuerst stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich ein „guter“ Strafverteidiger ist. Was ein guter Strafverteidiger ist, lässt sich in Kürze etwa so umschreiben:

Ein guter Strafverteidiger ist ein Strafverteidiger, der alle rechtlichen Mittel ausschöpft, um Ihrem Interesse zu dienen, und zwar ausschließlich Ihrem Interesse.

Ihr Interesse als Beschuldigter wird dabei in der Regel sein, möglichst nicht oder nur so gering wie irgend möglich bestraft zu werden. Ausnahmen mag es geben, aber die wird man vernachlässigen können. Um Sie bestmöglich vor Bestrafung zu schützen, muss Ihr Verteidiger alle Verteidigungsmöglichkeiten nutzen, die das Strafprozessrecht ihm bietet.

Das setzt zwingend voraus, dass Ihr Verteidiger sich im Strafrecht und Strafprozessrecht bestens auskennt. Der Rechtsanwalt sollte daher auf Strafrecht spezialisiert sein und ausreichend praktische Erfahrung gesammelt haben. Dies ist am besten bei einem Rechtsanwalt gewährleistet, der die Zusatzqualifikation „Fachanwalt für Strafrecht“ erworben hat.

Vertrauen ist wichtig, sollte aber auf fachlicher Kompetenz beruhen

Strafrechtliche Probleme tauchen oft plötzlich und unerwartet auf. Man war in einen Verkehrsunfall verwickelt oder die Steuerfahndung stand unerwartet vor der Tür. Das kann jedem fast jederzeit passieren. Viele Menschen gehen selbst mit einem ernsten strafrechtlichen Problem dann zu „Ihrem“ Familienanwalt, weil sie ihm vertrauen. Das ist riskant.

Vertrauen ist zwar gut und wichtig, aber es ersetzt kein Fachwissen. Und Fachwissen ist auf kaum einem Rechtsgebiet so existenziell wichtig wie im Strafrecht. Denn im Strafrecht geht es um ihre persönlichsten Werte; im Extremfall sogar um Ihre Freiheit.

Traut sich Ihr Familienanwalt auch die Verteidigung gegen eine Mordanklage zu, ist er vielleicht mutig, aber für die Verteidigung definitiv der falsche Mann. Ein guter Rechtsanwalt kennt nämlich seine Grenzen und weist seine Mandanten darauf hin.

Gute Strafverteidiger beweisen strategisches Geschick

Gute Strafverteidigung bedeutet, Übersicht und strategisches Geschick in einer für Sie kritischen Situation zu beweisen. Weniger ist hier häufig mehr. Es kommt im Strafrecht nur äußerst selten darauf an, schnell zu reagieren; taktische Schachzüge sollten stattdessen wohl erwogen und sorgfältig geplant werden.

Ein Strafverteidiger, der z. B. ohne vorherige Einsicht in die Verfahrensakten für Sie inhaltliche Erklärungen gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft abgibt, begeht einen schweren Fehler. Dadurch können Sie gute Verteidigungschancen einbüßen.

Ein guter Strafverteidiger sollte ein offenes Ohr für Ihre Nachfragen haben. Wundern Sie sich aber nicht, wenn Sie einmal längere Zeit nichts von „Ihrem“ Verfahren hören. Im Strafverfahren gilt: Keine Nachricht ist gute Nachricht. Es wäre völlig sinnlos und sogar kontraproduktiv, Staatsanwaltschaft oder Gericht zu einer Entscheidung zu drängen. Eine schnelle Entscheidung wird kaum jemals für Sie günstiger werden.

Kommt es zu einer mündlichen Hauptverhandlung vor Gericht, können sich die Anforderungen grundlegend ändern. In der mündlichen Hauptverhandlung ist Passivität ein Nachteil. Hier sollte der Verteidiger das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Ob er das laut oder leise tut, ist Geschmackssache. Aber er sollte es tun. Hat Ihr Rechtsanwalt Ihnen vor der Verhandlung viel erzählt, ist vor Gericht aber mucksmäuschenstill, ist das meist ein schlechtes Zeichen.

Wenn Sie jetzt noch einen guten Strafverteidiger suchen, rufen Sie mich an.

Wann brauche ich einen Strafverteidiger?

Gerichtssaal

Vor Gericht sind alle gleich. Eigentlich.

Immer wenn Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren sind, sollten Sie sich von einem Strafverteidiger verteidigen lassen. Immer. Selbst dann, wenn Sie die Ihnen vorgeworfene Straftat begangen haben und auch die gerechte Strafe nicht fürchten. Bedenken Sie: Auch als reuiger Sünder können Sie sich Ihre Strafe nicht selbst aussuchen. Über die Strafe entscheidet der Richter, und der irrt sich möglicherweise. Vielleicht übersehen Sie auch einfach mögliche Rechtfertigungsgründe oder Verteidigungsansätze. Es ist Ihre Zukunft, um die es geht. Damit sollten Sie nicht leichtfertig umgehen.

Verteidigung keinesfalls selbst führen

„Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen“ (§ 137 I 1 StPO). Und das sollte jeder Beschuldigte auch unbedingt tun. Dies ist Ihr von der Verfassung gewährleistetes Recht, auf das Sie nicht verzichten sollten. Keinesfalls sollten Sie versuchen, Ihre Verteidigung gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht selbst zu führen.

Schweigen

Die meisten Menschen fühlen sich unschuldig und erliegen dabei einem fatalen Irrtum: Sie denken, sie könnten andere von ihrer Unschuld überzeugen. Glauben Sie einem professionellen Strafverteidiger: Das klappt nicht. Jeder hat gute Gründe für das, was er getan hat und blumige Worte für das, was er nicht getan hat. Menschen lassen sich aber nur sehr ungern überzeugen und für Polizeibeamte gilt das in besonderem Maße. Im Gegenteil: Im Zweifel kann alles, was Sie sagen, gegen Sie verwendet werden, wie es im Krimi immer so schön heißt. Wenn die Polizei Sie einer Straftat verdächtigt, ist daher jedes Wort ein Wort zu viel. Überlassen Sie die Entscheidung, wann und welche Informationen Sie preisgeben, einem Profi.

Strafverteidiger einschalten

Wenn Sie also einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten haben oder von der Polizei vorgeladen wurden: Wenden Sie sich möglichst sofort an einen Strafverteidiger. Das gilt erst recht, wenn Sie eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft erhalten haben. Die Anklageschrift wird Ihnen stets vom zuständigen Gericht zugestellt. Liegt die Anklageschrift vor, ist ein wesentlicher Teil des Strafverfahrens – das Ermittlungsverfahren – bereits beendet.

Vorbeugende Beauftragung

Wenn Sie von der Polizei noch keine Nachricht erhalten haben, aber aus gutem Grund glauben, dass gegen Sie ein Strafverfahren geführt wird, lassen Sie sich unbedingt auch vorsorglich beraten. Gerade in diesen Fällen wird ein Strafverteidiger Ihnen wertvolle Hilfestellung geben können. Möglicherweise steht eine Durchsuchung oder schlimmstenfalls Ihre Verhaftung bevor. Durch die rechtzeitige Einschaltung eines Strafverteidigers können Sie drohende Maßnahmen möglicherweise noch abwenden oder zumindest abschwächen. Gerade wenn strafrechtliche Ermittlungen zu erheblichen Eingriffen in die persönliche Integrität – schlimmstenfalls durch Untersuchungshaft – führt, benötigen Sie möglichst frühzeitig rechtlichen Beistand, um für den schlimmsten Fall gewappnet zu sein.

Der Strafverteidiger ist in jedem Fall ausschließlich Ihren Interessen verpflichtet und strikt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das gilt ausnahmslos.