Der Lügendetektor im Strafprozess

Die meisten Strafverteidiger haben schon erlebt, dass ein Beschuldigter im Strafprozess aus eigenem Antrieb angeboten hat, man möge ihn doch an einen so genannten „Lügendetektor“ (wissenschaftlich korrekt: „Polygraph“) anschließen. Der erfahrene Rechtsanwalt und Strafverteidiger muss seinem Mandanten diesen Wunsch ausreden, denn er weiß: Das geht nicht. Die Rechtsprechung verbietet den Einsatz eines Lügendetektors.

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bereits im Jahre 1954 zu dieser Frage geäußert (BGHSt 5, 332). Damals hat man den Einsatz des Lügendetektors als unzulässig abgelehnt, weil damit in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Untersuchten eingegriffen werde. Dieser Begründung wurde immer wieder entgegengehalten, dass dem Beschuldigten damit das Recht abgeschnitten würde, freiwillig einen solchen Test zu machen.

Im Jahr 1998 hat der Bundesgerichtshof sich vor diesem Hintergrund erneut mit der Frage nach dem Lügendetektor befasst (BGHSt 44,308). Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof solche Test nach wie vor abgelehnt, jedoch hat er seine Begründung erheblich geändert. Man hat nun ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei dem Test mittels eines Polygraphen zumindest dann nicht um eine verbote Vernehmungsmethode – wie z. B. Folter – handele, wenn der Beschuldigte freiwillig daran teilnehme.

Dem Wunsch des Beschuldigten, sich mittels eines Lügendetektors testen zu lassen, hat man trotzdem nicht entsprochen. Man hat dies damit begründet, dass das Testergebnis ein völlig ungeeignetes Beweismittel sei. Das Verfahren sei ungeeignet, weil es sich nicht um einen in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig eingestufte Methode handelt. Der Lügendetektor komme nach wissenschaftlicher Einschätzung nicht zu zuverlässigen Ergebnissen. Die Grundannahme des Polygraphen, dass Lügen sich in einer messbaren und eindeutigen körperlichen Reaktion zeigten, sei falsch. Im Original heißt das: „Man kann nicht davon ausgehen, dass sich bestimmte emotionale Zustände in entsprechenden Reaktionsmustern niederschlagen.“ Mit dem Einsatz des polygraphischen Verfahrens könne  „insbesondere nicht gemessen werden, ob der Untersuchte die Wahrheit sagt.“

Damit galt diese Frage als endgültig entschieden.

Ändert sich die Rechtsprechung?

In jüngster Zeit hat es zwei Entscheidungen von Amtsgerichten gegeben, die sich entgegen der bisherigen Rechtsprechung für den Einsatz von Lügendetektoren aussprechen. So hat das Amtsgericht Bautzen im Januar dieses Jahres in einem Familienrechtsstreit seine Entscheidung ausdrücklich auch auf das Ergebnis eines Lügendetektortests gestützt (AG Bautzen, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 12 F 1032/12). Die Strafabteilung desselben Gerichts hat sich dem angeschlossen und das entlastende Ergebnis einer polygraphischen Untersuchung für verwertbar erklärt (AG Bautzen, Urt. v. 26. März 2013 – 40 Ls 330 Js 6351/12).

In der Fachliteratur hat sich daraufhin zumindest eine Stimme vehement für eine Änderung der Rechtsprechung eingesetzt und den Lügendetektortest als Beweismittel gefordert (Prof. Dr. Holm Putzke, NJW-aktuell, 42/2013, Seite 14).

Wer einer Straftat beschuldigt wird, hat fortan also vielleicht bessere Möglichkeiten, sich mit einem Lügendetektortest zu entlasten.

Christoph NEBGEN, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht; TOP-RECHTSANWALT 2013 STRAFRECHT (Focus-Spezial vom 15. Oktober 2013)